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Grube Carl Friedrich

Am 31. Juli 2007  jährte sich zum 80. Mal der Tag der Schließung des Steinkohlenbergwerks “ Carl – Friedrich“ in Richterich bei Aachen. Anlass genug, einen Rückblick auf die Vorgeschichte zu dem späteren Tiefbausteinkohlenbergwerk und seine Geschichte selbst zu wagen. Die Steinkohlenfelder des Bergwerkes lagen im südlichsten Teil der Kohlenlagerstätte des Wurmreviers. Viel später als in den übrigen  Bereichen der Lagerstätte und bevor es zu der Errichtung der Doppelschachtanlage  in der Gemeinde Richterich kam, wurde in den östlich des Ortes an der Tagesoberfläche gefundenen Flözen nach Kohle gegraben bzw. diese im Stollenbetrieb abgebaut.

Grube Carl Friedrich

Bereits 60 Jahre vor der Gründung der bergrechtlichen Gewerkschaft „Carl-Friedrich“, 1847, war der  Familie Wolter von Fisenne die Konzession des damaligen Kohlenfeldes „Woltershoffnung“ durch das Königlich Preußische Oberbergamt zu Bonn verliehen worden.

 

Zwischen 1891 und 1895  erwarb der Kommerzienrat Friedrich Wilhelm Huppertz für 25.000 Mark von der Familie Wolter von Fisenne dieses Kohlenfeld und außerdem das 1861 in den Gemeinden Richterich und Laurensberg gelegene Kohlenfeld der Familien Gutsbesitzer Richard Welter und Ingenieur Karl Widmann (auch Weidtmann genannt) aus Stolberg, das sie „Carl – Friedrich“ nannten. Diese Felder hatten eine Ausdehnung von rd. 900000 Quadratlachter. Die Verleihung an  Huppertz erfolgte später durch das Oberbergamt zu Bonn. Es waren die Steinkohlenfelder Albertine I im Jahre 1900 und Albertine II sowie Albertine III im Jahre 1903. 1907 bestätigte das Oberbergamt Bonn die Konsolidation  dieser Felder durch Huppertz. Er brachte alle konsolidierten Felder  sowie das Feld „Woltershoffnung“  und seinen 1904 stillgelegten Stollenbetrieb in die neu gegründete bergrechtliche Gewerkschaft „Carl Friedrich“ ein.(2) (5)

Nachdem alle Vorbedingungen erfüllt waren, wurde der Bau der Schachtanlage „Carl  Friedrich “ begonnen.

 

Einem Gutachten, das zwischen 1890 und 1895 erstellt, handschriftlich verfasst und mit Hilfe von Freunden  durch Herrn Siegfried  Sprank (1) aus Aachen – Richterich in  Maschinenschrift  „übersetzt“ wurde, ist zu entnehmen, dass umfangreiche Untersuchungen angestellt worden sind, die  Grundlage zur Bestimmung des Standortes der Schächte und damit auch der übertägigen Anlagen des Bergwerks waren. Zur Erstellung des Gutachtens sind zahlreiche Aufschlüsse durch Schächte, Querschläge und sonstige Grubenbauen  der benachbarten Gruben auf deutscher Seite und auf dem Gebiet der Niederlande sowie von  eigens hierfür gestoßenen Kernbohrungen im konzessionierten Steinkohlenfeld herangezogen und ausgewertet worden.

 

Das in der Kohlscheider Scholle gelegene Grubenfeld wurde im Norden und Osten durch die Markscheiden der Steinkohlenbergwerke der Vereinigungsgesellschaft für Kohlenbau im Wurmrevier, später Eschweiler Bergwerks-Verein, begrenzt. Im Westen bildete die Landesgrenze  zu den Niederlanden und im Süden der Wildbach die Grenze des Konzessionsfeldes. Die gesamte Berechtsame erstreckte sich über ein Gebiet von rd. 2400 Hektar und hatte eine Längenausdehnung von 8,3 Km und eine Breite von 3,6 Km. Das Grubenfeld wird von der Eisenbahnlinie Aachen – Maastricht und Aachen – Düsseldorf sowie von der von Aachen nach  Richterich führenden Landstraße durchzogen. Die Oberfläche ist fast eben und überwiegend  landwirtschaftlich genutzt worden. Da Flusskies  kaum vorgefunden wurde, schloss man aus , dass beim Schachtabteufen ähnliche Schwierigkeiten wie beim Abteufen der Schächte auf Anna und Maria auftreten könnten. Unter Abzug von  50% von den vermuteten Kohlenvorräten wegen  Verlusten  infolge  tektonischer  Störungen,  ungünstiger Lagerung  und  „sonstiger Unwägbarkeiten“ werden im Gutachten  bauwürdige Kohlenvorräte von 308.250.000 Scheffel angegeben. Dieser Vorrat, so wurde abschließend festgestellt, „reicht für jede mögliche Förderung während einer langen Reihe von Jahren.“ (1)

 

Bezüglich des Deckgebirges lag die Erkenntnis vor, dass an der Stelle, wo die Aachen – Düsseldorfer Eisenbahn die von Aachen nach Richterich führende Landstraße quert, die Mächtigkeit 80 bis 90 Fuß beträgt. Aus diesem Grunde und weil zu erwarten war, mit einem  140 Lachter tiefen Schacht die unter Flöz Steinknipp liegenden bauwürdigen Flöze Ham I bis III, Bril, Wibach, Gracht und Speckholzerheide  zu erreichen und in Abbau nehmen zu können, wurde dieser Punkt als vorteilhaft zum Errichten  einer Schachtanlage empfohlen. Nach Beurteilung damaliger holländischer Fachleute handelte es sich dabei um Kohle  von „magerer und vorzüglicher Qualität mit hoher Festigkeit“ (1). Außerdem erschien die Fläche im Ortsteil Grünental der Gemeinde Rrichterich im Hinblick auf den  Landabsatz und auf die Verfrachtung der Kohle an die Kunden per Eisenbahn als verkehrstechnisch günstig.

Nach den Grundsätzen des Allgemeinen Preußischen Berggesetzes vom 24.Juni 1865, §196, erfolgte eine Zulassung von Betriebsplänen zur Errichtung von Steinkohlenbergwerken nur dann , wenn mindestens zwei Schächte zur Aufnahme eines Bergwerksbetriebes geteuft wurden. 1903 begann man mit dem Anschlagen des Wetterschachtes, Schacht I. Dieser erreichte 1905 das Steinkohlengebirge und 1907 die 200 m-Sohle. Der Spatenstich für den Förderschacht, Schacht II, erfolgte 1907. Im Jahre 1910 stand er in einer Teufe von 200 m und 1911 bei 300 m. Beide Schächte hatten einen lichten Durchmesser von 4,5 m, waren im Deckgebirgsbereich mit Tübbings und im Steinkohlengebirge in Ziegelsteinmauerung ausgebaut. Bei 100 m und 200 m wurden Füllörter ausgesetzt. Danach konnte mit der Auffahrung der Hauptquerschläge begonnen werden, aus denen die weitere planmäßige Ausrichtung und Vorrichtung  betrieben wurde. Am 1. Oktober 1911 begann die Kohlenförderung. Die Produktion betrug 1913 bereits 230 t je Schicht. Anfang des Jahres 1914 wurden 320 t je Schicht gefördert.

 

Während des Zeiten Weltkrieges kam die Förderung auf der Schachtanlage wegen Arbeiter – und Materialmangels fast zum Erliegen. Nach den Kriegsjahren blieb die Produktion weit unter dem Vorkriegsniveau. Es wurden zunächst nur 48% der Förderung von 1913 erreicht. Sie ging auf eine Tagesproduktion von 150 Tonnen zurück. Es erschien daher sehr zweifelhaft, ob das nahe Ende des Bergwerksbetriebes noch abzuwenden war. 1919 betrug die Jahresförderung nur 28000 Tonnen, während vor dem Krieg  immerhin 65000 bis 86000 Tonnen  produziert wurden. Die Gesellschaft verschuldete sich stark  und geriet  1919 in Konkurs. Die 1000 Kuxen waren nicht verkaufbar. Dem Konkursverwalter gelang die Weiterführung des Betriebes nicht.  Schließlich  erwarb  der  Kommerzienrat Falk aus Düsseldorf sämtliche Anteile der bergrechtlichen Gewerkschaft. Es wurde 1921 eine Auffanggesellschaft in Form eines Konsortium durch die Bankhäuser „Droste &Tewes “ zu Bochum sowie “ Rose & Co. und Manne“ gegründet. Diese übernahm fast alle Kuxen der Gewerkschaft „Carl –Friedrich“. Von nun an firmierte die Gesellschaft als “ Anthrazitgrube Carl  Friedrich Aktiengesellschaft für Bergbau und verwandte Industrien“.

 

An dieser Aktiengesellschaft waren, wie zu verstehen ist, außer den Bankhäusern auch namhafte und damals schon in Bergbaukreisen bekannte Persönlichkeiten, Berwerksdirektoren, des Ruhrgebietes mit relativ kleinen Einlagen aber großem  Einfluss an der weiteren Entwicklung des Bergwerks beteiligt. Es waren die Herren Wilhelm  Droste, Gustav  Knepper und Fritz  Tengelmann.(3)

 

Verstärkt wurde fortan in die Aus- und Vorrichtung investiert. Nach geraumer Zeit konnten daher die Abbaumenge je Gewinnungsbetrieb und die Gesamtförderung wesentlich gesteigert werden. Im Jahre 1922 erreichte das Bergwerk denn auch eine Produktion von fast 52000 Jahrestonnen.  1921 wurde das Unternehmen wie auch andere im Aachener Revier durch Arbeitsniederlegungen der Aufsichtspersonen und Fördermaschinisten arg gebeutelt. Das Krisenjahr 1923 brachte der Aktiengesellschaft beträchtliche Sorgen. Das war die Zeit der sogenannten  „Ruhrbesetzung“ durch französisches Militär. Die Bergleute leisteten den sog. „Passiven Widerstand“. Das Aachener Revier war schon seit Kriegsende Besatzungsgebiet, wurde aber besonders hart getroffen, als  im „Ruhrkampf“ die Stilllegung des Eisenbahnbetriebes verfügt wurde. Leitende Bergleute, die sich den Forderungen der Kommissare zur Bereitstellung von „Reparationskohle“ verweigerten, wurden  teilweise nach mehren Monaten Haft aus dem Revier ausgewiesen. Zeitweise waren die Bergwerke ohne Führung. Auf  „Carl Friedrich“ und anderen Bergwerken antworteten die Bergleute darauf mit einem dreitägigen Streik.

 

All diese Umstände brachten  „Carl Friedrich“ bergtechnisch und wirtschaftlich nicht weiter.(3)

Grube Carl Friedrich

1924 gelang es dem Unternehmen, den Eschweiler-Bergwerks – Verein zur Übernahme  der Hälfte des inzwischen auf 1,5 Millionen Mark umgestellten Grundkapitals zu gewinnen . Außerdem half der Eschweiler Bergwerks-Verein „Carl Friedrich“ durch Verpachtung des Kohlenfeldes „Melanie“, zwischen Horbach und Richterich gelegen. Wegen der besseren Lagerstättenverhältnisse wurde der Abbau ausschließlich auf das Pachtfeld konzentriert. Gleichzeitig musste aber die Belegschaft von 500 auf 180 Mann reduziert werden, um den Betrieb aus den „roten Zahlen“ zu bringen.

 

Schließlich  enttäuschten auch hier die geologischen und tektonischen Verhältnisse sowie die Qualität der Kohle die Bergleute, weil die Abbaubedingungen schlechter als erwartet angetroffen wurden. 1930 gab man die 300 m-Sohle bei einer Förderung von 40000 Jahrestonnen auf.

 

Am 31. Juli 1927 kam der letzte Förderwagen aus dem Schacht II an die Tagesoberfläche. Das Steinkohlenbergwerk wurde stillgelegt. Die Gemeinde Richterich verlor damit ein das wirtschaftliche Leben und den Wohlstand des Ortes und seiner Bürger bestimmendes Unternehmen. Der „Haupternährer“ und Steuerzahler fiel weg. Die Belegschaft wurde überwiegend von den Bergwerken Laurweg und Gouley übernommen.

 

Erst zehn Jahre später erfolgte der Abbruch der Tagesanlagen von „Carl Friedrich“. Allerdings standen die Schächte noch unverfüllt und unzureichend abgesichert bis Ende der 1940er Jahre im Gebirge. Wie der Zeitzeuge Siegfried  Sprank in seiner Ausarbeitung berichtet (2), war es für die dort spielenden Kinder eine Freude, schwere Steine und sogar Förderwagen in den Schacht zu werfen, um  dann zu verfolgen, wie diese auf die Einstriche polterten und schließlich in das aufsteigende Wasser plumpsten.

 

Vermutlich hatte man die Schächte erst verfüllt, nachdem durch Gutachter unter den gegebenen wirtschaftlichen Verhältnissen die Wertlosigkeit des gesamten Steinkohlenfeldes der Aktiengesellschaft „Carl  Friedrich“ nachgewiesen worden war. Das geschah im Jahre 1951 nach den damaligen bergbehördlichen Vorschriften vom tiefsten Punkt der Schächte aus, in dem über ein Förderband Haldenmaterial über einen Gitterrost in die Schächte gekippt wurde. Durch  einen Haldenrutsch erlitt das sechs Jahre alte, dort spielende Mädchen, Marlis Madeya, tödliche Verletzungen.

 

Die Schächte wurden mit einer Betonplatte verschlossen, in der ein Kanaldeckel eingelassen war. Dieser diente dem Öffnen und Verschließen der Schächte bei der regelmäßigen, von der Bergbehörde vorgeschriebenen Kontrolle der Füllsäule. Auf dem Deckel des Schachtes II wurde nach der Sanierung durch den Eschweiler Bergwerks-Verein mittels Betoninjektion von Siegfried Sprank ein Schild mit der Aufschrift „SCHACHT 31 S “ aufgefunden und aufbewahrt. Wahrscheinlich handelt es sich hierbei um eine Registriernummer der Bergbehörde. (2).

 

Im Jahre 1954 wurde die „Anthrazitgrube Carl Friedrich Aktiengesellschaft für Bergbau und andere Industrien“ vom Registerrichter in Aachen in dem entsprechenden Verzeichnis gelöscht.

Die wenigen verbliebenen Gebäude der Schachtanlage, vor allem das frühere Belegschaftsgebäude mit Waschkaue, wurden zunächst von einer Kleiderfabrik zur Produktion von Herrenanzügen genutzt.1950 verkaufte der Eschweiler Bergwerks-Verein  das Werksgelände mit allen Immobilien an den Fabrikanten Schmachtenberg, der dort die Herrenkleiderfabrik IDEAL betrieb. Heute ist in dem noch verbliebenen früheren Werksgebäude die  Bergmoser & Höller Verlag GmbH erfolgreich tätig.

 

An das ehemalige Steinkohlenbergwerk erinnert auch noch die „Karl-Friedrich-Straße“. Allerdings ist unerklärlich, warum nicht die alte Schreibweise  „Carl-Friedrich“ oder „Carl Friedrich“ für die Namengebung der Straße beibehalten worden ist.

 

Das Fördergerüst

 

Das Fördergerüst über Schacht I, bis 1944 das „Wahrzeichen“ von Richterich , war ein in Fachwerkbauweise mit Nietung und Knotenblechen hergestelltes  Stahlstrebengerüst, bekannt als „Deutsches Strebengerüst, Bauart Promnitz 1 , ein Einfachstrebengerüst  mit einer Seilscheibenebene für zwei Seilscheiben, d.h. eine zweitrumige Förderung. Das Führungsgerüst für zwei Förderkörbe stand zur vertikalen Lastableitung über dem Schacht auf schweren Doppelflanschträgern. Die Verbindung zwischen Führungsgerüst und Stützstreben erfolgte durch sechs

 

U- Profil-Stahlträger, auf denen sich die Seilscheiben  mit ihren Wellen in gusseisernen Lagerschalen bewegten. Die zwei Stützstreben fanden ihre Widerlager in schweren stahlarmierten Betonfundamenten, die über das Rasenniveau herausragten. Die Stützen waren mit Ober- und Untergurt versehen und mit jeweils kreuzförmig angeordneten Diagonalstreben verbunden. Durch Querverbände erfolgte die Aussteifung der Stützstreben. Das Seilscheibenplateau war mit einem Gerüstkopf ausgestattet. In diesem verlief die Kranbahn, die der Montage und Demontage der Seilscheiben sowie zum Ab- und Auflegen von defekten und neuen Förderseilen benutzt werden konnte. Für  die Begehung der Seilscheibenbühne von der Rasenhängebank aus diente eine auf den Stützstreben angebrachte eiserne Leiter.

 

Die parallele Anordnung der Seilscheiben lässt die Auf- und Abschieberichtung der Förderwagen auf der Linie Fördermaschine – Stützstreben erkennen. Das Fördergerüst wurde zu Beginn des Zweiten Weltkrieges demontiert und der Rüstungsindustrie zugeführt.

 

Die zwei Förderkörbe bewegte eine Seilreibungs-Trommel- Doppelzylinder-Dampfmaschine.

 

Friedrich  Ebbert

 

Quellennachweis

(1) Siegfried  Sprank: „Gutachten betreffend das Steinkohlenbergwerk Carl Friedrich,“ Handschrift in Maschinenschrift übertragen

(2) Siegfried  Sprank: „Anthrazit – Grube Carl Friedrich , Richterich“

(3) Friedrich Schunder: Geschichte des Aachener Steinkohlenbergbaus“ Verlag Glückauf GmbH, Essen  1968

(4) Heimatblätter des Landkreises Aachen 1941, Seite 101-102

(5) Aachener Volkszeitung vom 29.Juni 1957: „Vor 30 Jahren“